Variationen des Wartens

Meine künstlerische Arbeit kreist um eine zeitgemäße Darstellung des Menschen. Der Schwerpunkt liegt bei den Portraits und mehrfigürlichen Kompositionen in einer malerischen Annäherung an das Thema Gelebte Zeit. Vor-Ort-Skizzen von Neugeborenen, Schwangeren oder Verstorbenen, aber auch großformatige Portraits alter Menschen oder Kinder zeugen von dem Bemühen, gelebtes Leben künstlerisch zu erfassen.
Der Moment des Gemaltwerdens, dieses Versinken und Verharren in ihrem Sosein bringt einen bestimmten Gesichtsausdruck zum Vorschein, der gleichzeitig von tagträumender Flüchtigkeit als auch von gelassenem Standhalten genau in dieser Situation berichtet.
Ähnliche Gesichtsausdrücke entdecke ich beim Skizzieren von Menschen in Wartezimmern.
So brachte eine zufällige Konstellation von sitzenden Modellen auf einer Bank etwas in mir zum Klingen: die Idee eines Frieses mit Wartenden war geboren.
Das Warten: verlorene oder geschenkte Zeit, zwischen brennender Geduld und selbsterkennender Gelassenheit, Raum zwischen Vergangenem und Zukünftigem.

Auf einer endlos langen Bank sitzen Menschen und warten. Ihr Ausdruck ist ganz unterschiedlich, aber niemals gereizt, gelangweilt oder ungeduldig. Sie sind, auch wenn sie als Paar oder Gruppe sitzen, ganz für sich, hingegeben ihren Gedanken und inneren Bildern.
Auf die lange Bank geschoben: ich bitte Freunde und Bekannte oder auch Schauspieler und Tänzer in ihr Atelier; jeder nimmt eine ganz unverwechselbare Wartestellung ein entsprechend der Situationsskizze, die ich vorgebe. Daraus entwickelt sich die Komposition, die aber ohne Absicht auf Vollendung ist, denn mit jedem neuen Teilnehmer entstehen spannende neue Kombinationsmöglichkeiten.
Technisch realisiert wird das Gemälde auf speziell konstruierten Holzgründen, die, unterteilt in kompositorisch abgeschlossene Einheiten, verschiedene Präsentationsmöglichkeiten bieten. So ist es möglich, dieses Projekt in den unterschiedlichsten Räumlichkeiten neu zu erleben.
Die endlos lange Horizontale der Bank erlaubt es selbst in schwierigen räumlichen Verhältnissen eine durchgehende Verbindung der einzelnen Teilabschnitte zu schaffen; der Fries wird als Ganzes wahrgenommen.
Durch die Teilung des Bildes in Sitzhöhe entstehen im Fuß und Kopfbereich Spannungsbögen, die mit ihrem Auf und Ab an Notenlinien denken lassen.
Trotz der realistischen Malweise bleiben die dargestellten Personen durch ihren entrückten Blick in ihrer eigenen Welt und drängen sich nicht auf; laden den Betrachter vielmehr ein, es ihnen gleichzutun: eine stille, zum Nachdenken anregende Atmosphäre wird geschaffen.
Die verschiedenen Anordnungen der Sitzenden loten das Spannungsfeld von Nähe und Distanz aus und eignen sich somit, eine bildhafte Ebene zum Thema Kommunikation herzustellen.
Dieses Projekt ermöglicht es ein kontinuierliches Weiterarbeiten, ein „work-in-progress“ mit immer wieder neuen Positionen und Modellen.

Bisher sind zwei Friese mit jeweils 10 Meter Länge und insgesamt40 lebensgroßen Figuren entstanden sowie zahlreiche kleinerformatige Vorstudien, Grisaillen und Variationen (Stehende/RückSichten/Rhythmen und Reihen) zu diesem Thema entwickelt worden.

Rhythmen und Reihen